Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten

Neben vielfältigen Parteigliederungen existiert bei der SPD auch eine „Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten“ (AvS) – ein Erinnerungsort der besonderen Art, der darauf verweist, dass Verfolgung und Widerstand in der 150-jährigen Geschichte der deutschen Sozialdemokratie stets eine besondere Rolle spielten.

Das ,Sozialistengesetz‘, die Zerschlagung der Parteistrukturen und die Verfolgung der SPD-Mitglieder durch das nationalsozialistische Regime sowie die Verfolgung von Sozialdemokraten in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR, die nicht bereit waren den totalitären Kurs der Besatzungsmacht und der KPD/SED mitzugehen, markieren die Etappen, in denen Verfolgung für viele Sozialdemokraten zur Alltagserfahrung gehörte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fasste die SPD den Entschluss, eine eigene Organisationseinheit für Verfolgte des Nationalsozialismus zu gründen. 1948 fanden sich in der AvS verfolgte Sozialdemokraten und Widerstandskämpfer zusammen, die sich vornehmlich um Fragen der Wiedergutmachung bemühten. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft setzten sich aber auch damit auseinander, dass der Arbeiterwiderstand in den 1950er und 1960er Jahren auf kein großes öffentliches Interesse stieß.

In den 1970er Jahren entstand ein neues Interesse an der Geschichte der SPD. Willy Brandt forderte dazu auf, an das ,Sozialistengesetz‘ 100 Jahre zuvor zu erinnern. Verfolgte Sozialdemokraten mahnten an, dass die Besinnung auf den Widerstand zur Traditionsbildung der SPD gehöre. So wurde 1979 die AvS reaktiviert, um mehr Aufklärungsarbeit über die Zeit des Nationalsozialismus zu leisten. Zugleich sollte rechtsextremistischen Aktivitäten entschieden entgegengetreten werden. Vor allem Heinz Putzrath erhob das Wort gegen eine Vernachlässigung der Geschichte. 1983 wurde er zum Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten“ gewählt. Putzrath gab die AvS-Mitteilungen heraus und wurde über Jahre zum Motor dieser Arbeitsgemeinschaft.

Ihm folgte 1996 Susanne Miller als Vorsitzende nach, die dafür sorgte, dass neben den Verfolgten des NS-Regimes auch Sozialdemokraten Mitglied der AvS werden konnten, die in der DDR unter politischer Verfolgung gelitten hatten. Für diesen Personenkreis gab es ebenfalls eine eigne Organisationseinheit der SPD, die „Arbeitsgemeinschaft ehemaliger politischer Häftlinge der SBZ/DDR“. Hier wurde in den 1970er Jahren auch deutliche Kritik an der Entspannungspolitik und an der Zunahme neomarxistischer Positionen unter den Jusos in der SPD geübt. Die friedliche Revolution von 1989 ermöglichte ein Gedenken auch an den Stätten der Verfolgung. Gerade Bautzen und das seit 1990 jährlich von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierte Bautzen-Forum nehmen eine wichtige Erinnerungsfunktion ein.

Die „Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten“ und der „Arbeitskreises ehemaliger politischer Häftlinge der SBZ/DDR“ sind Betroffenen-Organisationen. Der langjährige Vorsitzende des Bautzen-Komitees Hans Corbat wies oft darauf hin, dass solche Zusammenschlüsse vom Aussterben bedroht sind. Es sei aber gut, dass sie keinen Nachwuchs haben. Verfolgung ist glücklicherweise keine Alltagserfahrung mehr für Sozialdemokraten in Deutschland. Es ist aber wichtig, dass Erinnerungsorte für die Zeit der Verfolgung existieren.

In diesem Sinne waren auch Vertreter beider sozialdemokratischer Arbeitsgemeinschaften und der ehemalige Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel maßgeblich daran beteiligt, als 1993 die überparteiliche Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ gegründet wurde, die das Wissen um Verfolgung und Widerstand auch für die Stärkung unserer heutigen Demokratie fruchtbar machen will.