Die Quote

Die Quote, oder genauer gesagt, die Frauenquote als ein (parteiinternes) Instrument zur Sicherung von mehr weiblicher Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen gehört sicherlich zu den umstrittenen Beschlüssen in der Geschichte der Sozialdemokratie. Dabei ist sie fast so alt wie die SPD selbst.

Ausgehend vom progressiven Frauenbild der jungen Sozialdemokratie, wie es August Bebel in seiner Schrift „Die Frau und der Sozialismus“ (1879) erläutert hatte, war die Emanzipation der Frau neben der Emanzipation des Proletariats Teil der sozialistischen Gesellschaftsvision. Schon 1890 enthielten die Parteistatuten daher eine Sonderregelung, die vorsah, dass alle Frauen einer SPD-Ortsgruppe das Recht hatten, zu den Parteikongressen eine eigene Delegierte zu bestimmen. Doch die Frauen wollten diese Sonderregelung nicht und setzten sich erfolgreich für ihre Streichung ein. Nur vier Jahre später wurde sie jedoch wieder eingeführt, maßgeblich dafür war der Einsatz von Clara Zetkin. Erweiterungen dieser Klausel aus den Jahren 1908 und 1925 sahen vor, dass ein Mitglied im Vorstand weiblich sein sollte, später galt sogar die Regelung, dass Frauen im Vorstand proportional zur Zahl der weiblichen Mitglieder vertreten sein mussten.

Nach 1945 fielen weibliche Interessen und Rechte sowie die mühsam errungenen Fortschritte in der Geschlechtergerechtigkeit einem mentalen Roll-Back zum Opfer, der alle Ebenen der Gesellschaft durchdrang. Erst die internationale Frauenbewegung der 1960er/1970er Jahre und die feministische Theorie als politische und wissenschaftliche Kategorie sorgten dafür, dass auch innerhalb der SPD wieder verstärkt über das Thema „Frauen und Macht“ diskutiert wurde.

Wiederum sprachen sich die Frauen gegen eine vermeintlich bevorzugte Behandlung auf der Grundlage einer Quotenregelung aus. Ein Verbund junger Sozialdemokratinnen stellte auf dem Godesberger Parteitag von 1971 erfolgreich den Antrag auf Abschaffung der Schutzklausel. Die Folgen waren dramatisch: Der Anteil weiblicher Abgeordneter in der Bundestagsfraktion sank auf knapp fünf Prozent, und auch im Bundesvorstand ging der Frauenanteil stark zurück. Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) kann unter anderem als Konsequenz dieser Negativtendenz gewertet werden.

Allen Bemühungen von ASF, parteiinternen Quotenbefürworterinnen und -befürwortern und der Schirmherrschaft der Parteivorsitzenden Willy Brandt und Hans-Jochen Vogel zum Trotz konnten die Widerstände gegen eine umfassende Regelung erst fast zwei Jahrzehnte später, auf dem Münsteraner Parteitag von 1988, überwunden werden. Auf Beschluss des Parteitags wurden die Parteistatuten dahingehend geändert, dass nun Männer und Frauen zu je mindestens 40 Prozent in allen Gremien auf sämtlichen Ebenen vom Ortsverein bis hinauf zum Bundesvorstand vertreten sein mussten. Die Delegiertenlisten für Parteitage sollten zukünftig ebenfalls quotiert sein. Sämtliche Wahllisten von der Kommunal- bis zur Europawahl mussten von nun nach dem Prinzip des „Reißverschlussverfahrens“ – also Männer und Frauen alternierend – aufgestellt werden. Über die Statutenänderung hinaus zeichnete sich auch auf Programmebene ein Mentalitätswechsel ab. So enthielt das Berliner Programm von 1989 einen Passus, der mittlerweile zu den berühmtesten Grundsätzen sozialdemokratischer Programmatik gehört und ebenfalls den Status eines Erinnerungsorts für sich beanspruchen könnte: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“.