SDP-Gründung

Am 7. Oktober 1989 traf sich im Pfarrhaus des kleinen brandenburgischen Orts Schwante eine Gruppe von Männern und Frauen zur Gründung einer neuen politischen Kraft. Nach mehrstündiger Beratung standen schließlich 38 Unterschriften unter der Gründungsurkunde der „Sozialdemokratischen Partei“ (SDP). Die erste Neugründung einer Partei in der Geschichte der DDR war perfekt. Dem Gründungsakt war ein längerer Vorbereitungsprozess vorausgegangen, der mit einem im Frühjahr 1989 von Martin Gutzeit und Markus Meckel erarbeiteten Entwurf für eine „Initiative zur Gründung einer Sozialdemokratischen Partei“ begonnen hatte.

Die Gründung der SDP stellte das Machtmonopol und das Selbstverständnis der Staatspartei SED in doppelter Weise in Frage: Zum einen war die SDP unter den sich seit dem Sommer bildenden neuen politischen Initiativen die einzige Kraft, die sich – ganz bewusst – als Partei mit fester Mitgliedschaft und verbindlichem Programm verstand. Zum anderen war der Rückgriff auf den Begriff „Sozialdemokratie“ ein direkter Affront gegen die Einheitspartei, da diese das sozialdemokratische Erbe stets für sich allein in Anspruch genommen hatte.

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Inmitten des rasanten Umbruchs der Jahreswende 1989/90 – vom Rücktritt Erich Honeckers über den Mauerfall bis zu den Volkskammerwahlen – musste die junge Partei in kürzester Zeit laufen lernen. Eine Organisation musste aufgebaut, ein Programm entworfen und Wahlkampf geführt werden. Schon früh nahm die SDP Kontakte zur westdeutschen Sozialdemokratie auf, nannte sich im Januar 1990 in „SPD“ um, bis sich die beiden Parteien schließlich im Oktober desselben Jahres zur gesamtdeutschen SPD zusammenschlossen.

Der 7. Oktober 1989 ist innerhalb der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie untrennbar mit einem anderen Datum verbunden: Dem 22. April 1946, dem Tag der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED in der sowjetischen Besatzungszone. Mit der SDP-Gründung von 1989 zog die SPD über 40 Jahre später – so Markus Meckel –„gewissermaßen die Hand aus dem Händedruck des SED-Parteiabzeichens“. Diese Befreiung aus der Umklammerung prägte zugleich den Umgang mit der bisherigen Staatspartei und ihren Nachfolgeorganisationen PDS und Linkspartei. Mit der Entscheidung, keine ehemaligen SED-Mitglieder in die eigenen Reihen aufzunehmen, grenzte sich die SDP bewusst von CDU und FDP ab, welche rasch mit ihren Pendants unter den DDR-Blockparteien zusammengingen. Um den Preis des Verzichts auf hohe Mitgliederzahlen bewahrten sich die ostdeutschen Sozialdemokraten auf diese Weise ihre Glaubwürdigkeit.

Nur wenige der Unterzeichner der Gründungsurkunde stehen noch im politischen Rampenlicht. Doch wird bis heute anlässlich von Jubiläen immer wieder der „Geist von Schwante“ beschworen. Er steht für den Mut und die politische Phantasie einer Gruppe von Menschen, die sich entschieden hatten, dem Allmachtsanspruch der SED etwas entgegenzusetzen. Die Bedeutung der SDP-Gründung für die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und für die Friedliche Revolution in der DDR ist heute innerhalb wie außerhalb der SPD unbestritten.