22. Mai 2005 – Landtagswahl in NRW

„Mein Erinnerungsort“: Katharina Oerder

An den 22. Mai 2005 erinnere ich mich noch genau. Einerseits aus politischen Gründen, denn dieser Abend der historischen Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen läutete eine bis dahin kaum vorstellbare Serie an Rückschlägen für die Sozialdemokratie ein. Andererseits erinnere ich mich an diesen Tag aus sehr persönlichen Beweggründen, denn am 22. Mai 2005 trat ich in die SPD ein. Tatsächlich war ich nicht die einzige, in der an diesem Abend das Gefühl aufkam, der Sozialdemokratie beistehen zu müssen – allein in meinem Unterbezirk haben sich an diesem Abend drei weitere Personen dazu entschieden, genau wie ich aktive Jusos zu werden. Mit diesen war ich im Frühling 2005 zum ersten Mal in Kontakt gekommen, hatte mir ein paar Veranstaltungen angesehen und trug mich mit dem Gedanken, Mitglied der SPD zu werden. So richtig überzeugt war ich jedoch noch nicht. Wollte ich das wirklich? Mich an eine Partei binden, zu ihr stehen, in guten wie in schlechten Zeiten? Ihr meine Wochenenden widmen und mich für die verfehlte Politik fremder, weißhaariger Männer in der Fußgängerzone beschimpfen lassen? Dennoch, nach diesem Abend gab es für mich kein Halten mehr. „Das kann’s ja nicht gewesen sein“ dachte ich mir und unterschrieb ein von dem Bonner SPD-Vorsitzenden Ernesto Harder aus dem Jackett gezaubertes Beitrittsformular.

Schon im Vorfeld der Wahl hatten Sozialdemokraten geahnt, dass sie böse enden könnte, aber so böse? Auf 37,1 % kam die SPD nun, ein Verlust von über fünf Prozentpunkten, und verlor im Zuge dessen 28 Sitze. Auch mein Unterbezirk Bonn war davon betroffen. Der langjährige Landtagsabgeordnete Bernhard „Felix“ von Grünberg konnte nicht erneut in den Landtag einziehen, wovon nicht nur er selbst und seine Familie betroffen waren, sondern auch einige Jusos, die aufgrund dessen ihre Jobs verloren. Die SPD war damit das erste Mal seit 39 Jahren nicht mehr stärkste Kraft an Rhein und Ruhr. Obwohl der sozialdemokratische Spitzenkandidat Peer Steinbrück bei den Wählerinnen und Wählern beliebter war als sein christdemokratischer Kontrahent Jürgen Rüttgers, spiegelten sich diese Werte in der Parteipräferenz nicht wider.
Die sich anbahnende schwarz-gelbe Landesregierung hatte auch für die Bundespolitik verheerende Auswirkungen, bedeutete sie doch eine klare schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat, was die Handlungsfähigkeit der sowieso von negativen Sympathie- und Umfragewerten gebeutelten Regierung Schröder erheblich einschränken würde. Nur eine halbe Stunde nach den ersten Hochrechnungen – die meisten Genossinnen und Genossen befanden sich noch in einer Schockstarre – trat Franz Müntefering vor die Kameras und kündigte an, aufgrund der katastrophalen Niederlage in Nordrhein-Westfalen keine Handlungsmacht für die Sozialdemokratische Partei auf Bundesebene mehr zu sehen. Nun hieß es für mich, gerade frisch eingetreten, vier Monate lang Bundestagswahlkampf zu betreiben. Ob ich auch eingetreten wäre, wenn ich gewusst hätte, wie früh beispielsweise Frühstücksaktionen tatsächlich beginnen? Wahrscheinlich ja, denn die Mühe zahlte sich aus. Am 9. Mai 2010 wurde in Nordrhein-Westfalen erneut gewählt und trotz eines knappen Ergebnisses und einer Minderheitenregierung unter Hannelore Kraft hat sich mein Eintrittsziel, dass das Land wieder rot regiert wird, erfüllt. Ich bin trotz aller Rückschläge SPD-Mitglied geblieben.