Der Dreipfeil
Der Dreipfeil wurde vor 1933 zum Hauptmotiv der Arbeiterbewegung gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus. Mit den grafisch leicht reproduzierbaren Pfeilen ließ sich im Straßenkampf der Weimarer Spätjahre in Berlin und andernorts das Hakenkreuz durchstreichen. Die Dreizahl verkörperte SPD, Gewerkschaften und Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, die in der Eisernen Front verbundenen Machtfaktoren der Arbeiterbewegung. Sie stand zugleich für die Begriffe Aktivität, Disziplin und Einigkeit sowie für die „höchsten Ideale“ der demokratischen Sozialisten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
„Erfinder“ des Zeichens war der Exilrusse Sergej Tschachotin, ehemals Assistent des Physiologen Iwan Pawlow. Er sah nach eigenem Bekunden 1931 in Heidelberg an einer Haus- oder Plakatwand ein mit weißer Kreide durchgestrichenes Hakenkreuz. Als Urheber vermutete er einen wütenden Arbeiter. Diesen stilisierte er sogleich kampfbetont zum „unbekannten Soldaten unserer großen Arbeiterarmee“. Die raffinierte Einfachheit des Dreipfeils und seine offenbar spontane Geburt, die unabhängig vom Wahrheitsgehalt zum Gründungsmythos wurde, trugen zur Verbreitung des Symbols bei.
Tschachotin und der hessische SPD-Reichstagsabgeordnete Carlo Mierendorff waren zugleich maßgeblich für die propagandistische Neuausrichtung der Sozialdemokratie verantwortlich. Sie hatten erkannt, dass das „Zeitalter der Massen“ völlig veränderte Kommunikationsformen erforderte. Dabei mussten sie allerdings erhebliche Widerstände in der SPD-Bürokratie brechen. Die Dominanz des Emotionalen gegenüber dem Rationalen, notierte Tschachotin, sei von den NS-Größen voll erfasst worden, während die Republikaner noch immer annähmen, „man könne die Masse durch reine Überzeugung gewinnen“.
Die Eiserne Front entwickelte seit Ende 1931 einen umfangreichen Symbolkanon, der zu einem guten Teil auf die drei Pfeile bezogen war, etwa das Liedgut und die Flagge. Diese war rot und zeigte die Pfeile in der linken unteren Ecke. Viele SPD-Zeitungen übernahmen das Symbol im Kopf ihrer Titelseite. Es müsse „tausendfältig in die Leser eingehämmert werden, mit und ohne durchbohrtes Hakenkreuz“, so Tschachotin und Mierendorff. Zahllose Lieder und Gedichte thematisierten die drei Pfeile, auf Wahlplakaten richteten sie sich gelegentlich auch gegen die feindliche Trias Monarchismus, Faschismus und Kommunismus.
In der Arbeiterbewegung fand der Dreipfeil enorme Verbreitung. Allerdings versinnbildlichte das Zeichen auch den Abschied von der republikanischen Nationalsymbolik sowie die Reduzierung der Weimarer Demokraten auf das Arbeitermilieu. Der Konsens mit Linksliberalen und Katholiken war längst zerbrochen; das Zentrum unter Reichskanzler Heinrich Brüning, der bereits ohne Parlamentsmehrheit regierte, benutzte den Dreipfeil sogar als Negativsymbol.
Nicht nur im Deutschen Reich waren die Pfeile das herausragende Zeichen der Anti-Hitler-Front, auch in Österreich. Dort überlebte das Symbol sogar die NS-Diktatur und fand nach 1945 erneut weiter Verbreitung. Es stand nunmehr für die geeinte industrielle, landwirtschaftliche und geistige Arbeiterschaft. In Deutschland geriet der Dreipfeil nach dem Fall des Hakenkreuzes dagegen weitgehend in Vergessenheit. Er ist damit auch Zeichen für verweigerte Erinnerung, für den Abschied von der klassenbewussten Arbeiterkultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.