Der Wahre Jacob
Mit dem ,Sozialistengesetz‘ (1878-1890) wurde die Verbreitung sozialdemokratischer Druckschriften mit hohen Strafen bedroht, dennoch gab Wilhelm Blos 1879 im Verlag von Heinrich Dietz in Hamburg die erste Nummer der illustrierten humoristisch-satirischen Zeitschrift „Der Wahre Jacob“ heraus. Ein Wagnis, das nicht lange gut ging. Nur zehn Nummern konnten erscheinen, bis die Zensurbehörde zuschlug. Der Verlag und damit auch „Der Wahre Jacob“ wichen 1884 ins liberalere Stuttgart aus.
„Der Wahre Jacob“ entwickelte sich nach dem Auslaufen des ,Sozialistengesetzes‘ zu einer der massenwirksamsten Zeitschriften der Sozialdemokratie, gleichzeitig avancierte er zu den populärsten satirischen Publikationen in Deutschland. Seit 1884 firmierte „Der Wahre Jacob“ als „Illustriertes humoristisch-satirisches Monatsblatt“ im zwischenzeitlich in Stuttgart gegründeten Verlag J. H. W. Dietz. Seine Beliebtheit wuchs rasch. Bis 1914 stieg die Auflagenzahl des Blatts auf 366.000 Exemplare. Von 1891 bis zum endgültigen Verbot 1933 erschien jedes Jahr zum 1. Mai eine Sondernummer des „Wahren Jacob“, die zum Teil in noch höherer Auflage vertrieben wurde.
Antimilitaristische Zeichnungen setzten in der Satirezeitschrift den im wilhelminischen Obrigkeitsstaat gesellschaftsprägenden Militarismus auf die Anklagebank. In der Zeit des Ersten Weltkriegs war „Der Wahre Jacob“ jedoch phasenweise nicht mehr der einstmals namensgebende, sprichwörtliche „wahre Jacob“. Entsprechend der Losung von Kaiser Wilhelm II., der angeblich keine Parteien mehr kannte, ließ sich die Zeitschrift ebenso wie die Mehrheit der SPD auf die nationalistische Burgfriedenspolitik ein.
Als roter Faden zog sich das Thema „Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit“ durch die Jahrgänge des „Wahren Jacob“. Die oft unmenschlichen Bedingungen, unter denen Arbeiter und Arbeiterinnen zu leiden hatten, und ihr Kampf dagegen nahmen breiten Raum ein. „Der Wahre Jacob“ bezog stets klar Stellung: für den Streik, gegen Aussperrung und das Spitzelunwesen.
Die Uneinigkeit der Arbeiterbewegung, die im Ersten Weltkrieg zu verfeindeten Arbeiterparteien führte, spiegelte sich auch im „Wahren Jacob“ wider, der auf das parlamentarische System setzte. Bemerkenswerterweise konnte er nach der Novemberrevolution nicht an seine Popularität von vor 1914 anknüpfen. Die Inflation 1923 besiegelte sein Schicksal vorübergehend. 1924 bis 1927 erschien an seiner Stelle „Lachen links“: in Papier- und Druckqualität bescheiden, doch in der politischen Stoßrichtung und Aussage eine hervorragende Zeitschrift. Ab 1928 trug das Blatt wieder seinen traditionsreichen Namen.
1929, vier Jahre vor den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten war auf der Titelseite des „Wahren Jacob“ unter der Überschrift „Deutschland verdunkelt sich“ ein Haufen brennender Bücher zu sehen. Dem aufziehenden Nationalsozialismus schauten die Zeichner und Autoren des Blatts also bereits frühzeitig hinter die Maske der Legalität. In der Endphase der Weimarer Republik thematisierte „Der Wahre Jacob“ zudem die Lebenssituation der besonders unter der ökonomischen Krise leidenden Bevölkerung. Weitere Themen waren der Kampf gegen den Paragraphen 218 und für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen sowie die Verteidigung gewerkschaftlicher Rechte.
Als Reichskanzler Franz von Papen 1932 als den Nationalsozialisten hörig karikiert wurde und eine Guillotine mit Hakenkreuz den nationalsozialistischen Terror anprangerte, wurde „Der Wahre Jacob“ für acht Wochen verboten. Mit der Nummer 21 meldete sich das Blatt „Wieder in Freiheit!“ zurück. Noch konnte es sich über das Verbot lustig machen. Dazu passt das Zitat eines darüber unglücklichen Beamten: „Wie man’s macht, ist’s verkehrt! Erscheint so ein Witzblatt, lachen die Leute, und verbietet man es, lachen sie erst recht!“.
Am 4. März 1933, im 54. Jahrgang, erschien dann die letzte Nummer. Die Nationalsozialisten hatten auch den „Wahren Jacob“ verboten. Viele seiner Mitarbeiter wurden verfolgt, emigrierten oder zogen sich ins private Leben zurück, doch soll nicht verschwiegen werden, dass es einige gab, die sich den braunen Machthabern anpassten und für das „Witzblatt“ der Nationalsozialisten arbeiteten.