Wennigser Konferenz
Am 8. Mai 1945 um 23:01 Uhr trat die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen in Kraft. Der Zweite Weltkrieg war beendet – die Möglichkeit, die Demokratie neu aufzubauen, war endlich gekommen. Die Sozialdemokratie übernahm früh eine zentrale Rolle beim demokratischen und sozialen Wiederaufbau. Kurt Schumacher organisierte von Hannover aus die Wiedergründung der SPD, die auf der Wennigser Konferenz vom 5. bis 7. Oktober 1945 offiziell vollzogen wurde.
Das Ziel der Konferenz beschrieb Kurt Schumacher in seiner Einladung vom 28. August 1945 so: „Die Konferenz soll ohne Rücksicht auf die frühere oder jetzige Mitgliederzahl der Parteibezirke je drei Vertreter jedes Parteibezirks umfassen. Ihr Zweck ist die taktische und organisatorische Angleichung. Sie ist angesichts der mangelhaften Verbindungs- und Unterrichtungsmöglichkeiten eine absolute Notwendigkeit.“
Warum wurde Wennigsen gewählt, ein Ort in der Nähe Hannovers? Wennigsen hatte nicht nur eine sozialdemokratische Tradition, sondern bot im Bahnhofshotel Petersen einen großen Raum mit einer ausreichenden Nahrungsmittelversorgung.
Trotz Zerstörung, Verfolgung und Not wurde die Wennigser Konferenz im Zeichen des Neuanfangs festlich gestaltet. Fritz Heine, Teilnehmer und Mitglied des Exilvorstands der SPD (Sopade) erinnerte sich: „Die Konferenz fand in einem festlich geschmückten Saal statt. Blumen, rotes Fahnentuch und ein Bild von Karl Marx füllten die Bühne […]. Für alle Teilnehmer gab es außerdem am 6. Oktober eine besondere Begrüßungsfeier. Ein Arbeitersängerchor und eine Arbeitermusikkappelle bestritten das Programm. […] Als der Chor nach vielen Jahren zum ersten Male wieder den Sozialistenmarsch in einer öffentlichen Veranstaltung sang, da wurde manches Auge feucht.“
In die Geschichte eingegangen ist die Wennigser Reichskonferenz aber vor allem wegen wichtiger Weichenstellungen für die SPD der Nachkriegsjahre. So wurden agrar-, wirtschafts- und kulturpolitische Richtlinien beschlossen, aber auch das Verhältnis der SPD zur KPD bestimmt. Kurt Schumacher setzte für die drei Westzonen die politische Trennung durch. Damit verbunden war eine Orientierung an der durch Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geprägten Weimarer Republik und an der Staatsform einer repräsentativen Demokratie und Wirtschaftsdemokratie.
Die Grundsatzrede Schumachers hieß dann auch „Der Kampf um die Demokratie“ und drückte Verantwortungs- und Selbstbewusstsein zugleich aus: „Wir Sozialdemokraten sind die Vertreter Deutschlands, für welche die Demokratie nicht der Ausdruck der Überlegenheit der angelsächsischen Waffen ist. Wenn wir Demokraten sind, dann sind wir uns nur selber treu geblieben. Darum ist die Sozialdemokratische Partei […] auch vor allen anderen berechtigt, sich selbständig und unabhängig zu den Ereignissen zu äußern. Gerade weil wir mit dem obersten Kriegsziel der Vereinten Nationen, der Schaffung eines Deutschlands des Friedens, übereinstimmen, sagen wir auch eindeutig, wie wir uns den Weg zu diesem Ziel vorstellen.“