August Bebel

Aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert ist eine Vielzahl von Plakaten, Flugblättern und Postkarten mit allegorischen Darstellungen August Bebels überliefert. Sein Porträt findet sich auf einem Meilenstein, neben dem eine Frauengestalt den Weg in eine bessere Zukunft weist; Bebel tritt als Bannerträger für das freie Wahlrecht auf, als Schmied in Arbeitskleidung, der – anknüpfend an die Verse Ferdinand Freiligraths – das „alte morsche Ding, den Staat“ durch Hämmern verjüngt, oder als Steuermann des Schiffs „Vorwärts“, das der aufgehenden Freiheitssonne entgegen segelt. Unabhängig von zeittypischen Kult-Elementen geben diese „Ikonen“ eine Vorstellung von der politischen Erwartungshaltung, die sich mit der Person August Bebels in der Arbeiterbewegung verband.

Bebels große Popularität innerhalb der Arbeiterbewegung hat verschiedene Wurzeln. Die sich organisierenden Arbeiter und Gesellen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und diesozialdemokratischen Wähler sahen in ihm – im Gegensatzetwa zu Ferdinand Lassalle, demaus dem Bürgertum stammenden Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins – nicht eine von außen kommende Führungsgestalt, sondern „einen der ihren“.Durch seine auch rhetorisch herausragenden Auftritte im Reichstag und auf Volksversammlungen wurde er zur Identifikationsfigur der um soziale und politische Rechte kämpfenden Arbeiterschaft. Seine legendäre Unerschrockenheit im Umgang mit staatlicher Verfolgung, seine Rolle als Organisator während des ,Sozialistengesetzes‘ und als Vorsitzender der SPD zur Zeit ihrer großen Wahlerfolge ließen ihn im Parteigedächtnis zum Symbol des Aufstiegs der Sozialdemokratie zur modernen Massenpartei werden. Bebels Beharren auf dem revolutionären Charakter der Partei und seine zahlreichenÄußerungen zum sozialdemokratischen „Zukunftsstaat“ bestärkten die Arbeiterschaft in ihrer Opferbereitschaft gegenüber den Zumutungen der ökonomischen und politischen Verhältnisse im Kaiserreich.

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Mit seiner Teil-Autobiografie „Aus meinem Leben“ formte Bebel auch selbst die sozialdemokratische Geschichts- und Erinnerungskultur, indem er mit dem Rückblick auf sein Leben ein Muster klassischer sozialdemokratischer Sozialisation lieferte– ein Erzählbeispiel, in dem sich viele Sozialdemokraten seiner und noch folgender Generationen wiederfanden.Durch sein bekanntestes Werk „Die Frau und der Sozialismus“ und sein Eintreten für das Frauenwahlrecht und die Frauenemanzipation entstand ein weiterer Erinnerungsstrang, der bis heuteinsbesondere im Umfeld von SPD und Gewerkschaften lebendig ist.

Die Rezeption des politischen Wirkens August Bebels gerietnach dem Zweiten Weltkrieg durch die Teilung Deutschlands in den Einflussbereich derpolitisch-ideologischen Auseinandersetzung. In der DDR entstand eine Fülle von Publikationen und Werkausgaben, durchdie belegt werden sollte, dass Bebelspolitisches Wirkenim Einklang mit den Theorien von Karl Marx und Friedrich Engels gestanden hat.In der Bundesrepublik galt das Interesse eher Bebels demokratischen und sozialen Bestrebungen. Für die reformorientierte SPD nach dem Godesberger Parteitag von 1959, die sich vom Gedanken der Klassenpartei verabschiedet hatte, war eine ahistorischePflegedes Erbes August Bebels nicht mehr möglich. Die Folge war, dass sein Bild trotz des hohen Stellenwerts seiner Person innerhalb der sozialdemokratischen Tradition phasenweise unscharf blieb.In den ostdeutschen Ländern kam es nach 1990 sogar vereinzelt zu Umbenennungen von August-Bebel-Straßen.

Erinnerungsorte zu Bebels Wirken sind zahlreich; zum großen Teil handelt es sich jedoch um heute nicht besonders hervorgehobene Wohnadressen oder um Lokalitäten,wo Parteikongresse der Sozialdemokratie stattfanden.Die August-Bebel-Gesellschaft in Eisenach verfügt mit der Gedenkstätte im Haus „Goldener Löwe“, in dem 1869 der Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) eröffnet wurde, über einen authentischen Ort, der in Bebels Leben allerdings nur kurzfristig eine Rolle spielte. In der Gedenkstätte, die zuvor von der SED gestaltet worden war, wurde über einen längeren Zeitraum die für den 75. Todestag August Bebels vom Archiv der sozialen Demokratiekonzipierte Ausstellung „August Bebel 1840–1913. Ein Großer der deutschen Arbeiterbewegung“ als Dauerausstellung gezeigt. Bereits 1947 wurde August Bebel zum Namensgeber des zur Funktionärsschulung der SPD gegründeten und heute als politische Bildungseinrichtung tätigen August Bebel Instituts (ABI). Es stelltkeinen authentischen Erinnerungsort dar, hat sich abermehrfach mit Leben und Werk August Bebels befasst.Zuletzt wurde mit der von Günter Grass 2010 ins Leben gerufenen August-Bebel-Stiftung und der Verleihung des August-Bebel-Preises wieder der soziale Aspekt im Werk August Bebels hervorgehoben.