Das Kommunistische Manifest

Das „Manifest der Kommunistischen Partei“ ist eine Art „Geburtsurkunde“ der Arbeiterbewegung, auch der mit ihren Wurzeln in die Revolution von 1848 zurückreichenden deutschen Sozialdemokratie, deren Programmgeschichte mit dem in London gedruckten Manifest beginnt. Konzipiert als Programmschrift für den zu reorganisierenden „Bund der Kommunisten“ erschien es in der Endfassung von Karl Marx 1848 kurz vor Beginn der französischen Februarrevolution. Der Horizont des 23 Seiten umfassenden Schriftstücks war international, aber sein Wirkungskreis war im Revolutionsjahr auf Deutschland begrenzt, dem politischen Umfeld von Marx und Engels. Es war in Teilen schnell veraltet und verschwand nach 1849 aus dem Blickfeld.

Neue Virulenz erhielt das Manifest unter veränderten historischen Umständen, in Deutschland mit dem Entstehen von zwei Arbeiterparteien in den 1860er Jahren. Mit dem Aufstieg der sozialistischen Arbeiterparteien eroberte es die Welt. Lag sein Haupteinflussgebiet zunächst in West- und Mitteleuropa, so änderte sich dies nach der russischen Oktoberrevolution, von der das Manifest in der Folge profitierte. Nach und nach wandelte sich die Rezeption jedoch dahingehend, dass es vom klassischen Dokument des Marxismus zum „politischen Klassiker schlechthin“ (Eric Hobsbawm) wurde.

Die Sprache – an die Bibel erinnernd – ist mitreißend und brillant. Begriffe und Terminologie entstammen vielfach dem philosophischen Diskurs der Zeit. Wichtig war die historische Analyse, denn die „materialistische Geschichtsauffassung“ war zur Entstehungszeit des Manifests weiter ausformuliert als die Marxsche Ökonomie. Marx beschrieb die Errungenschaften und die Dynamik der bürgerlichen Gesellschaft. Der visionäre Weitblick schon bei Beginn des Siegeslaufs des Kapitalismus mit der Einsicht, dass diese Produktionsweise dauerhaft nicht stabil und möglicherweise von etwas anderem verdrängt werden würde, fasziniert noch heute. Marx skizzierte nicht, wie der Kapitalismus die Gesellschaft bereits umgestaltet hatte, sondern postulierte, was aufgrund der dem Kapitalismus eigenen Gesetzlichkeit umgestaltet werden musste. Vieles war Ausdruck von Hoffnung und nicht das Ergebnis von Analyse, aber die Attraktion wurde und wird nicht dadurch gemindert, dass viele Prognosen nicht eingetroffen sind. Die Entwicklung war eine andere und niemals einheitlich. Vor allem der Untergang der „Bourgeoisie“ und der „Sieg des Proletariats“ haben sich nicht als unvermeidlich erwiesen.

Verblüffend bei heutiger Lektüre ist die Verbindung mit der Wirtschaftskonzentration, die Schlussfolgerung über die selbstzerstörerischen Kräfte, die der kapitalistischen Entwicklung innewohnen. Die globalisierte Welt und ihre Wirtschaft scheinen ein gutes Beispiel zu sein, wofür das Manifest immer wieder angeführt wird. Es ist jedoch keine Gegenwartsanalyse, sondern ein wichtiges historisches Dokument, das als eines der Alternativen und politischen Möglichkeiten zu lesen ist, nicht als eines der Wahrscheinlichkeiten oder gar Gewissheiten.