Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde

Kein anderer Friedhof, ja kaum ein anderer Ort in Deutschland ist so eng mit der wechselvollen Geschichte der Arbeiterbewegung verknüpft wie der 1881 bei Berlin eröffnete Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Seit sich der Parteipatriarch Wilhelm Liebknecht hier im August 1900 beisetzen ließ, folgten weitere prominente Sozialdemokraten seinem Beispiel, darunter Ignaz Auer, Paul Singer, Hugo Haase, Carl Legien, Hermann Molkenbuhr, Hermann Müller und Theodor Leipart. Friedrichsfelde erwarb sich dadurch den Beinamen „Sozialistenfriedhof“. 1919 fanden auch die Opfer des Spartakusaufstands und dessen ermordete Anführer Karl Liebknecht und wahrscheinlich auch Rosa Luxemburg hier ihre letzte Ruhestätte. Zu ihren Ehren wurde 1926 ein Revolutionsdenkmal von Ludwig Mies van der Rohe errichtet, das nach 1933 von den Nationalsozialisten geschleift wurde.

Nach 1945 entschloss sich die SED, das Revolutionsdenkmal nicht wieder aufzubauen, sondern ließ unter maßgeblicher Beteiligung von Wilhelm Pieck, des ersten und einzigen Staatspräsidenten der DDR, die „Gedenkstätte der Sozialisten“ in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang des Friedhofs errichten. Im Jahr 1951 wurde die neue Anlage eingeweiht, deren Aussehen sich seit damals nur unwesentlich verändert hat. Im Mittelpunkt steht eine mehrere Meter hohe Porphyr-Stele mit der Aufschrift „Die Toten mahnen uns“. Rund um diese Stele liegen zehn Gräber beziehungsweise Gedenkplatten für Sozialdemokraten (wie Rudolf Breitscheid und Franz Künstler), für Luxemburg und Liebknecht, für den langjährigen KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann sowie für Mitglieder der DDR-Staatsführung wie Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht. Die äußere Begrenzung der Anlage bildet eine vier Meter hohe, halbkreisförmige Klinkermauer. Im Schatten dieser Ringmauer liegen im Uhrzeigersinn zunächst die Gräber der Arbeiterführer des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, die dorthin überführt wurden, Erinnerungstafeln für kommunistische Widerstandskämpfer und für Kämpfer des Spanischen Bürgerkriegs sowie Wandnischen mit Urnengräbern für führende Funktionäre und Mandatsträger der SED. Als Letzter wurde im September 1988 Politbüromitglied Werner Felfe in der Gedenkstätte beigesetzt, in der seit der deutschen Vereinigung 1989/90 keine neuen Grabstellen mehr vergeben werden.

In zeitlicher Nähe zum 15. Januar, dem Tag der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, zelebrierte die SED jedes Jahr einen Trauermarsch, dessen Spitze die Mitglieder der DDR-Staats- und Parteiführung bildeten. Seit 1989 setzen die PDS und ihre Nachfolgeparteien diese Kundgebung in veränderter Form fort, die – nun auf freiwilliger Basis – mit mehreren Tausend Teilnehmern auf eine ungebrochen breite Resonanz stößt. Dies mag die Ursache dafür sein, dass die SPD und der DGB nach wie vor Berührungsängste mit der „Gedenkstätte der Arbeiterbewegung“ haben. Der überparteiliche „Förderkreis Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde e.V.“ versucht, die noch vorhandenen Gräben zu überwinden. Ergebnisse seiner verdienstvollen Tätigkeit sind die Restaurierung der Anlage mit Mitteln der Deutschen Klassenlotterie und die Einrichtung einer kleinen ständigen Ausstellung zur Geschichte der Grablege und ihrer Toten.